Aufruf der Hochschulinitiative Demokratischer Sozialismus zur Bundestagswahl 2017
Die nächste Bundestagswahl bestimmt über die Entwicklung in unserer Gesellschaft mit. Herausforderungen stehen vor uns: Wohlstand und Frieden, Gerechtigkeit und Sicherheit sind aus verschiedenen Richtungen bedroht.
- Die Politik des US-Präsidenten führt die USA in einen neuen Isolationismus, in dem im Wesentlichen nur noch die eigenen Interessen gelten und die Gefahr besteht, dass die Kooperation in der westlichen Allianz schrittweise zerstört wird.
- Europa ist in einer existenziellen Krise und benötigt neue Impulse zur Wiederbelebung der gemeinschaftlichen Kooperation mit dem Ziel, die EU stärker sozial zu orientieren und deutlicher auf Infrastrukturausbau auszurichten, um die Lebensverhältnisse in den Mitgliedsstaaten anzunähern.
- Die profitorientierte Konsumgesellschaft, die den marktförmigen Tausch weltweit verallgemeinert und von sozialen Bezügen und kulturellen Werten entkoppelt, und die Anhäufung riesiger nicht auf Leistung aufgebauter Vermögensmassen bedrohen den gesellschaftlichen Zusammenhalt, gefährden die Substanz der gemeinsamen Infrastruktur und gefährden ökologische Zukunftsfähigkeit.
- Der u.a. durch die Digitalisierung beschleunigte Wandel der Arbeitsgesellschaft, die Ungleichgewichte zwischen Kapital und Arbeit, die unausgeglichene Einkommensverteilung sowie die nicht gelösten ökologischen Aufgaben bedrohen die solidarische Gesellschaft. Sie führen auch dazu, dass viele Menschen, die schwächsten in unserer Gesellschaft, von einer gerechten Verteilung des gesellschaftlichen Wohlstands ausgeschlossen sind.
Sozialdemokraten in der Bundesregierung haben dafür gesorgt, dass die schlimmsten Auswüchse beseitigt, Ungerechtigkeit und soziale Existenzbedrohung eingedämmt wurden. Sozialdemokraten haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die jetzige Bundesregierung – vom Mindestlohn bis zur besseren finanziellen Ausstattung der Kommunen – eine gewisse soziale Handschrift trug. Doch das Weiterso von Angela Merkel wird den neuen Herausforderungen nicht mehr gerecht.
Die Unterzeichner fordern alle Wahlberechtigten auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen und mit ihrer Stimme unserem Anliegen Gehör zu verschaffen.
Wir erklären hierzu:
1 Es wird wieder Zeit, den Wählern klare Alternativen anzubieten. Die SPD muss entschlossen sein, diese Alternative zur CDU-geführten Bundesregierung zu werden. Sozialdemokraten haben in der Bundesregierung bewiesen, dass sie Wichtiges leisten können. Die Sozialdemokratie muss daher deutlich machen, dass sie die nächste Bundesregierung führen will und sich nicht bloß als Mehrheitsbeschafferin versteht.
2 Koalitionen der großen Parteien tun der Demokratie nicht gut und sollten die Ausnahme bleiben. Die Wählerinnen und Wähler sind daher aufgefordert, klar zu entscheiden, wer in Zukunft regieren soll und wer künftig die Opposition führt.
3 Die SPD bietet mit Martin Schulz eine glaubwürdige Alternative zur amtierenden Kanzlerin. Wir wollen, dass Martin Schulz Bundeskanzler wird.
4 Wettbewerbsgesellschaft, verbesserte Infrastrukturbedingungen und weltoffene Märkte haben zu einem stetigen wirtschaftlichen Wachstum geführt. Die deutsche Exportwirtschaft profitiert von der Einbindung europäischer Volkswirtschaften in den Euro. Die entgrenzte Erweiterung des individuellen Konsums sollte aber nicht das Hauptziel des gewachsenen Sozialprodukts sein. Güterproduktion und Dienstleistungen haben die Erfüllung menschlicher Bedürfnisse zu gewährleisten und dürfen nicht nur dem Zweck der Profitmaximierung dienen.
Eine solidarische Gesellschaft erfordert, dass ein wesentlicher Teil des Sozialprodukts in Investitionen fließt, die der Gemeinschaft zu Gute kommen und nicht zwingend profitorientiert sind. In Zeiten des Wachstums ist die Investition eines großen Teils des Zuwachses in Gemeinschaftsaufgaben die bessere Alternative zur Erhöhung der Konsumeinkommen. Das Ziel künftiger Regierungspolitik muss also sein, dass die Investitionen in Infrastrukturprojekte, in öffentlich geförderte Forschung und Entwicklung, in soziale Aufgaben, in die Förderung der Bildung einschließlich der Hochschulbildung und des Hochschulausbaus, sowie in die Unterstützung der kulturellen Vielfalt fließen.
5 Kapitalistische Wirtschaft und eine Ausrichtung allein am Prinzip des Wirtschaftswettbewerbs leisten keine Verteilungsgerechtigkeit. Es ist daher Aufgabe der Gesetzgebung und des Regierungshandelns, konsequent für den sozialen Ausgleich zu sorgen. Hierfür ist auch eine Reform des Steuerrechts notwendig, die die Bürger und die wirtschaftlichen Einheiten nach ihrer Leistungsfähigkeit heranzieht und das die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen für die Reformvorhaben (z.B. in Infrastruktur, Kultur, Bildung und Forschung) sichert. Eine gerechte Einkommensteuerverteilung (höhere Spitzensteuersätze für höhere Einkommen, gleichmäßige Belastung aller Einkommen – der Arbeitseinkommen und der Kapitalerträge -, sowie Fortsetzung der Erbschaftssteuerreform) muss die Leitlinie sein. Gleichermaßen ist eine Reform der Unternehmensverfassungen notwendig, die die grenzenlose Selbstbereicherung der Vorstände verhindert und die Kontrollorgane stärkt.
6 Die Gesellschaft ist verantwortlich für die Herstellung von Chancengleichheit, was nicht nur allgemeinen und kostenlosen Zugang zu allen Bildungsmöglichkeiten vom Kindergarten bis zu Hochschule bedeutet, sondern auch Hilfe und Förderung für jeden Einzelnen, wo das notwendig ist. Die Förderung, der Ausbau und die Qualitätssteigerung von Bildungs-, Hochschul- und Forschungseinrichtungen in verbesserter Kooperation von Bund und Ländern sind Grundlagen der demokratischen Gesellschaft und auch für internationale Kooperation und Wettbewerb entscheidend. Die föderale Ordnung Deutschlands ist in allen relevanten Aufgabengebieten, auch bei der Begegnung mit globalen pluralistischen Kulturverhältnissen, effizienter und durchschaubarer zu gestalten. Diese Pluralität ist an Schulen und Hochschulen im Fachangebot für eine humanitäre Bildung zu vermitteln.
7 Sicherheit ist ein linkes und ein Gerechtigkeitsthema: nicht nur Sicherheit des Arbeitsplatzes, Sicherheit vor Armut und Sicherheit vor Abstieg, sondern gerade Sicherheit von Leib und Leben und Eigentum. Erfolgreiche Sicherheitsmaßnahmen, u. a. gegenüber Terrorherausforderungen, dienen den Interessen aller Menschen, nicht nur den Interessen bestimmter Bevölkerungsteile. Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen sind vorrangige Aufgaben. Bildung, Ausbildung von Fachkräften, eine geordnete und gezielte Zuwanderung sowie eine konsequente Integrationspolitik verbunden mit dem Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus müssen helfen, negative Folgen des sozialen Wandels zu verringern.
8 Soziale Sicherheit ist zentral in gesellschaftspolitischen Forderungen. Sie muss den Grundregeln einer solidarischen Gesellschaft unterworfen sein. Das bedeutet die Schaffung einer allgemeinen Bürgerversicherung, in die alle Bürgerinnen und Bürger in gleicher Weise einbezogen werden. Dies bedeutet ein für alle bezahlbares Gesundheitssystem. Dies bedeutet eine für alle auskömmliche Rente, bei begrenzten Beiträgen ohne Erhöhung des Eintrittsalters, besonders eine Solidarrente gegen Altersarmut. Dies bedeutet die permanente Überprüfung und Verbesserung des gesellschaftlichen Umganges mit Arbeitslosigkeit.
9 Was getan wird, muss umweltgerecht sein. Klimawandel bedroht nicht nur einzelne Regionen der Welt, sondern wirkt global direkt und indirekt auf unsere Lebensbedingungen ein. Deshalb gehört Klimaschutz national und international zu den großen Zielen in einer modernen Gesellschaft. Dies heißt auch den Umstieg von fossilen Energieträgern zu andern Möglichkeiten der Energiegewinnung zu fördern und umzusetzen. Dies schließt auch ein, dass die nächste Bundesregierung einen strikten Plan für den Ausstieg aus von Verbrennungsmotoren getriebenen Fahrzeugen in Angriff nimmt, sowie die öffentlichen Verkehrsmittel gezielt ausbaut.
10 Internationale Politik verstehen wir heute zentral als gemeinsame Sicherheits- und Friedenspolitik. Die Interventionen der letzten Jahre und Jahrzehnte haben gezeigt, dass militärische Mittel für sich allein genommen internationale oder innerstaatlich gesellschaftlich-kulturelle Probleme nicht lösen. Wir stehen für eine Politik der Zurückhaltung und der Entwicklung bzw. Demokratieförderung. Doch angesichts des internationalen Terrors und von Expansionsbestrebungen kann auf militärische Verantwortung nicht verzichtet werden. Die deutschen Rüstungsexporte sollten jedoch deutlich zurückgehen.
11 Zugleich muss deutsche Politik, nach Entsolidarisierungstendenzen in den internationalen Beziehungen das Verhältnis zu den USA, aber auch zu den anderen großen Ländern auf neue Grundlagen stellen: China, Indien, Afrika, Lateinamerika aber auch Russland sind stärker ins Blickfeld zu rücken. Die bewährte Ausrichtung der sozialdemokratischen Außenpolitik an den Prinzipien friedlicher Koexistenz, gemeinsamer Sicherheit, sowie des Wandels durch Annäherung, dem es um die Förderung von Demokratie, Menschenrechten und freiheitlichen Orientierungen geht, gewinnt erneut an Relevanz. Außenpolitik ist Realpolitik. Sie darf dennoch die Verantwortung für die Menschenrechte und sozialen Bürgerrechte weltweit nicht aus den Augen verlieren. Neue internationale Kooperationsverhältnisse können Schritte sein hin zu einer langfristig anzustrebenden friedlichen und demokratischen Weltzivilisation.
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Wir denken, dass die deutsche Sozialdemokratie am besten in der Lage ist, eine Regierung zu führen, die sich um diese Zielsetzungen bemüht. Daher:
SPD wählen und zur stärksten Partei machen, damit Martin Schulz Bundeskanzler werden kann.
Erstunterzeichnerinnen/-unterzeichner
Prof. Dr. Hermann Adam, Rainer Bleckert, David Boventer, Panagiota Boventer, Prof. Dr. Günter Brakelmann, Prof. Dr. Peter Brandt, Christian Demuth, Prof. Dr. Nils Diederich, RA Klaus Faber Staatssekretär a.D., Prof. Dr. Bernd Faulenbach, Dr. Tilman Fichter, Dr. Benno Fischer, Frederike Frei, Dipl.-Pol. Thomas Giese, Prof. Dr. Helga Grebing, Stefan Grönebaum, Steffen Haake, Prof. Dr. Henning Hahn, Dr. Horst Heimann, Priv.Doz. Dr. Siegfried Heimann, Prof. Dr. Dietmar Herz Staatssekretär a.D., Prof. Dr. Ulrich Heyder, Benno Justfelder, Dr. Matthias Kollatz-Ahnen Finanzsenator, Jens Kreibaum, Dr. Christian Krell, Hendrik Küpper, Prof. Dr. Detlef Lehnert, Kira Ludwig, Prof. Dr. rer.nat. Ralf Ludwig, Prof. Dr. Thomas Meyer, Dr. Wolfram Meyer zu Uptrup, Dr. Hans Misselwitz, Andreas M. Müggenburg, Prof. Dr. Thomas Noetzel, Simon Obenhuber, Prof. Dr. Sibylle Reinhardt, Prof. Dr. Karsten Rudolph MdL, Lisa Price, Prof. Dr. Richard Saage, Dr. Hans-Joachim Schabedoth MdB, Dr. Sebastian Scharte, Dr. Klaus-Jürgen Scherer, Daniel Schliefke, Dr. Carsten Schlüter-Knauer, Prof. Dr. Ulrich Schöler, Prof. Dr. Klaus Schönhoven, Prof. Dr. Wolfgang Schroeder, Dr. Annette Schüren, Dr. habil. Johano Strasser, Heinrich Tiemann Staatssekretär i.R., Dr. Kerstin Weinbach, Dipl-Pol. Christian Wend, Prof. Gert Weisskirchen, Inge Wettig-Danielmeier, Klaus Wettig, Heidemarie Wieczorek-Zeul Bundesministerin a.D., Dr. Klemens Wittebur
Bitte unterzeichnen mit e-mail an: kjs@hochschulinitiative-ds.de